Ang Pamilyang Tunay Molahotay - über Familie und ihre Stellung -

00:03 Weltwärtsfreiwillige in Mactan 0 Comments



- „Eine wahre Familie übersteht alles“ - das diesjährige Motto des Pre-School Family Days.

An diesem Tag versammeln sich alle Pre- School Kinder mit ihren Eltern auf dem Basketballfeld, um gemeinsam den Tag zu verbringen. Sowohl die vier Klassen aus Janssenville, als auch vier Klassen von der Dumpsite Omapat, haben sich seit einer Woche mit Präsentationen für den Tag vorbereitet. So wechselten sich verschiedene Spiele für Erwachsene und Kinder, mit Aufführungen hab. Es gibt eine Zumba Stunde, einen live DJ und eine Tombola (bei der wir einen fünf Kilo Sack Reis gewannen, der definitiv unseren acht-Monate-Reiskonsum übersteigt, und wir ihn daher dem Feeding-Programm der Village spenden). Auch wir sind Teil des Programms und nachdem wir am Vorabend erfolgreich unsere erste eigene Kinderschminke aus Bodylotion, Maisstärke und Lebensmittelfarbe hergestellt haben, ist unsere Aufgabe an diesem Tag die Kinder in Tiger, Prinzessinnen oder Schmetterlinge zu verwandeln.
Lena beim Schminken der Kinder

Zumba- Tanzstunde


Für JPIC  hat das Feiern eines Familientages in der Pre-School eine wichtige Bedeutung. So lernen die Eltern das Pre-School Umfeld besser kennen und der Anreiz und die Verpflichtung ihr Kind regelmäßig in die Schule zu schicken wird verstärkt. Auch ist der Tag dazu da, dass sich die Eltern untereinander besser kennen lernen und ebenfalls stärker zusammenwachsen. Er dient somit zur Erhaltung der Motivation der Familien, um weiterhin regelmäßig am Bildungs- Programm teilzunehmen.

Die allseits beliebte Tombola
Die Wichtigkeit der Einbindung der Familie wird uns im Alltag durch ihren hohen Stellenwert deutlich. Einer der ersten Fragen, die wir gestellt bekommen sind: „Ist es in Ordnung für eure Eltern, dass ihr so weit weg von zu Hause seid?“; „Haben eure Eltern euch einfach gehen lassen?“: „Vermissen sie euch nicht?“ – „Wir sind sehr eng verbunden mit unserer Familie, wir würden unsere Töchter alleine nicht so weit fahren lassen“. Aus den Reaktionen der Leute hier in der Village wird uns schnell bewusst, dass die Familienbande sehr eng sind und es ihnen ungewöhnlich vorkommt, dass wir in unserem Alter alleine eine so weite Reise wagen. Denn tatsächlich bleiben die meisten jungen Erwachsenen  solange in ihrem Elternhaus, bis sie verheiratet sind. Auch dann noch, wenn sie bereits ihr eigenes Gehalt beziehen. Noch wunderlicher  wird es für die meisten, wenn wir sagen, dass unsere Eltern uns auch vermissen und uns mit Sicherheit nicht gerne haben gehen lassen, es aber für sie auch genauso wichtig ist, dass wir Unabhängigkeit erlangen und unseren eigenen Weg gehen. Wie passt das zusammen?

In den Philippinen ist die kollektive Identität noch verankerter als die individuelle. Das heißt, dass der Individualität nicht so ein großer Stellenwert wie der Gesamtheit der Gruppe zugeschrieben wird. So eine Gruppe ist z.B. die Familie. Sie steht für die meisten Filipin@s an oberster Stelle und bildet den persönlichen Bewegungsrahmen. Zudem ersetzt sie oftmals Freundschaften außerhalb der Familie und ist Sozialsystem. Daher sollte innerhalb dieser bedingungslose Loyalität und Solidarität herrschen.

Da nur 50% aller Beschäftigten in gesetzlichen Krankenversicherungen versichert sind und diese meistens selbst im Versicherungsfall nicht greifen, ist die Familie das wichtigste Sozialamt. Sie dient darüber hinaus als Arbeitsamt, Alters- und Arbeitslosenversicherung, zur Studienfinanzierung und als Kreditquelle. Sie wird somit die flexibelste und sicherste Absicherung im Notfall. Diese Solidarität erzeugt allerdings auch eine Verpflichtung. Wenn ein Teil der Familie einen anderen Teil mitfinanziert, erhalten sie automatisch auch ein Mitspracherecht in deren Familienangelegenheiten, wie z.B. Heiratswunsch oder Berufswahl. Die Investition in die Bildung der Kinder z.B. ist  die Absicherung der Eltern im Alter. Als Gegenleistung wird oft erwartet, dass diese sich in der Schule anstrengen, mit um jüngere Geschwister kümmern und nach Abschluss ihrer Ausbildung die Familie mitunterstützen. Innerhalb der Familie wird praktisch  ein ungeschriebener Generationenvertrag eingegangen. Für die Familie wird oft alles getan, auch wenn es manchmal mit den eigenen Wünsche und Vorstellungen nicht vollständig vereinbar ist. So ist es zum Teil auch normal, seinen Job für die Betreuung seines Enkelkindes aufzugeben, wie z.B. im Fall unserer Gastmutter.

Aber auch neben der Funktion der Familie als Sozialamt, wird ihr eine große Bedeutung zugeschrieben. Kinder gelten als Segen und eine Familie wird erst als komplett angesehen, wenn die Partner Eltern geworden sind. Die Familie teilt mit dir alle Sorgen und Freuden und ist immer für dich da (solange man nicht versucht aus der Familienstruktur auszubrechen). Verwandtschaftsverhältnisse halten ein Leben lang und sind daher wichtiger als  Freundschaften. Allerdings kommt es auch vor, dass sehr gute Freunde ebenfalls zur Familie, der „extended family“ (erweiterte Familie) gezählt werden, ebenso wie entfernt Verwandte, denen ebenfalls nach Möglichkeit ausgeholfen wird.

Ang Pamilyang Tunay Molahotay - „Eine wahre Familie übersteht alles“. Damit ist die Loyalität und Solidarität innerhalb der Familie gemeint, die einen aus Krisensituationen wieder herausführt. Doch oft führt dieser auch zum Verlust der Individualität und Unabhängigkeit.

Für uns ist es da oft schon einfacher diese zu erlangen, es ist sogar ein Ziel Unabhängigkeit von der Familie zu sein und auf eigenen Beinen stehen zu können. Da wir aber auch ein funktionierendes Sozialsystem in Deutschland besitzen, sind viele auch nicht so stark auf die (finanzielle) Unterstützung unserer Familien angewiesen. Bei Arbeitslosigkeit beziehen wir Arbeitslosengeld, im Krankheitsfall sind (die meisten) Kosten durch unsere Krankenkasse gedeckt, unsere Kinder werden wir zur Betreuung in den Kindergarten schicken und wessen Eltern nicht genug verdienen, um ihr Kind bei der Ausbildung oder beim Studium zu unterstützen, erhält BAföG. Die finanzielle Unabhängigkeit, die wir dadurch erhalten, ermöglicht es uns eigenständig über unsere Zukunft ohne Rücksicht auf die Wünsche unserer Eltern entscheiden zu können. Wir wollen uns diese Unabhängigkeit bewahren und sind sogar glücklich darüber mehr BAföG beziehen zu können als das Jahr zuvor, wenn wir dadurch noch selbstständiger werden können. Geld leihen wir uns von der Bank und eher in seltenen Fällen von unseren Familien. Wir freuen uns über das Ausziehen von zu Hause und auf die Freiheit, die wir teilweise fernab unserer Familien erlangen. Individualität und Familie vereinen wir im kleinen Kreis. Unsere Entscheidungen und Lebensvorstellung teilen und besprechen wir zunächst nur mit unserer engsten Familie (Mutter, Vater, Geschwister, nahestehende Familienmitglieder), der Rest der Familie wird lediglich informiert. Das wir auf den Rückhalt unserer Eltern zählen können ist für uns beide klar, doch würden wir uns auch nur auf diesen verlassen und nicht die ganze Familie miteinbeziehen. Durch die Möglichkeiten, die wir in unserem System erhalten, sind wir nicht mehr auf die Hilfe von Familienmitgliedern angewiesen und sie verliert daher als soziale Absicherung ihre Bedeutung. Unser Bewegungsrahmen erweitert sich dadurch und Freundschaften spielen eine ähnliche Rolle wie die Familie, die hauptsächlich für uns ein Teil unserer sozialen Beziehungen darstellt.

Die verschiedenen Familienstrukturen beider Länder beeinflussen das alltägliche Leben und bilden die Norm über die eigenen Lebensvorstellungen. Welche für einen passender ist, und ob Freiheit, Unabhängigkeit und Individualität mehr wiegt als bedingungslose Loyalität muss dabei jeder für sich selbst entscheiden.


Anmerkung: Die Darstellung der Familienstrukturen (in Deutschland) beruht auf unserer eigenen Wahrnehmung und unserem Umfeld. Selbstverständlich gibt es auch hier Ausnahmen und unterschiedliche Ansichten. 

English Version:

Ang Pamilyang Tunay Molahotay - „A true family survives everything“- the theme of this year pre-school family day.

At this day all pre-school children gather with their parents at the basketball court to spend the day together. The four classes from Janssenville, as well as the four classes from the Dumpsite Omapat prepared their dance presentations almost one week in advance. Various games for adults and children differ with the presentations. There is also a Zumba lesson, a live DJ and a raffle (where we won a-five-kilo-sack of rice, which is definitely more than our rice consummation within eight month, so we donated it to the Feeding- Program of the Village). We are also part of the program and create our first own face-paint made out of body lotion, corn starch and food coloring. Our task is then to transform the children into tigers, princesses and butterflies.

The celebration of a family day has a great importance for JPIC. The parents get to know the pre-school environment and get an incentive as well as the commitment to send their child to school regularly. They also get the chance to get to know each other and built a network where they can support each other. Therefore the family day serves the motivation of the families to continue participating in the education program.

The importance of the integration of the families lies in their composition, which we experience  in our daily live. One of the first questions being asked are: “Is it okay for your parents that you are so far away from home?”; “Did your parents not try to convince you to stay?”- “We are strongly connected to our families; we would never let our daughters go so far away”. Hearing the reactions in the Village we realize that the family bounds here are very close and it seems very unusual for them to travel so far away from home in our age. Indeed most of the young adults stay at their parents’ house until they get married, even though they already earn their own money. They start to wonder even more when we say that of course our family misses us and that of course they did not let us go easily but they also want us to go our own way and gain independence. How does that fit together?
In the Philippines the collective identity is often more important than the individual. That means that individuality has not such a great importance as the unity of the group. A group like this is e.g. the family. For most of the Filipin@s the family comes first and builds the social frame in which they move and act. It often replaces friendships outside the family and the social system. That is why unconditionally loyalty and solidarity are expected.

Due to the fact that only 50% of all employees have a health insurance and even if they have one not everything is covered, the family becomes the most important social welfare office. Furthermore the family serves as job center, pension and unemployment insurance, to finance the studies and as credit lender. It is indeed the most flexible and safest substantiation in emergency. But this solidarity also creates a commitment. If one part of the family finances the other part of the family, they automatically have a right to give their opinion in family affairs e.g. marriage or job decisions. The investment in the education of the children is e.g. the substantiation of the parents in age. In reverse it is expected that they show effort at school, take care of their younger siblings and that they support their family after graduation. It works like an unwritten generation contract. Even if it is against your will or aspirations you do everything for your family. That is why it is sometimes normal to give up your job to take care of your grandchildren, like our host mother did.

Next to the necessity of the family as the social welfare care, they also have an great importance to society. Children are seen as a gift and a family is only seen as complete when they have children. The family shares all the joy and problems and takes  care of you (as long as you are not trying to break out from their structure). Relatives last for a lifetime and are therefore more important than friendships. But it also appears that close friends are counted to the “extended family” as well as distant family who can also be sure to be helped out in emergency.

Ang Pamilyang Tunay Molahotay – “A true family survives everything”. This refers to the loyalty and solidarity between family members which helps them out of crises. But it also leads to loss of individuality and independence.

For us it is easier to gain independence from your family and it is actually an aim to stand on your own two feet. But we also have a functioning social system in Germany and are not depending strongly on the (financial) support of our families. If we get unemployed we receive unemployment payments from the government, if we get sick our health insurance covers (most of) the costs, we can send our children to day care and if our parents do not earn enough money we can receive BAföG (governmental study credit) for our studies. This financial independence allows us to decide about our future on our own without needing to take into account the whishes and aspirations of our parents for us. We want to keep this Independence and we are happy about getting more BAföG than the year before because it means that we gain more independency from our parents. We lend money from the bank and only in rare situations from our families. We are eager to move out from home and are excited about the freedom we gain sometimes miles away from our parents. Individuality and family are combined in a small circle. We discuss our decisions and our expectations for live only with our closest family (mother, father, siblings, other close family members); all the other members are just informed. We know that we can always count on the help and support of our family, but we would only rely on our close family not the distant one. Through the substantiation of our social system, the family loses the importance as our social welfare office. Due to that our social frame is extended and friendships play a similar role as the family which is for us not much more than a social relation though it is a closer one.

The different family structures of both countries influence the daily live and create the norm about the own expectations about live. Everyone has to decide for themselves which one fits more for them and if freedom, independency and individuality are more important than unconditionally loyalty and solidarity.

Notice: The picturing of the family structures relies on our own experience and on our environment. We are aware of the fact that there are exceptions and different views concerning this topic.


Quellen/Ressources:
https://de.wikipedia.org/wiki/Kultur_der_Philippinen
http://www.naval-diving.com/deutsch/land/1-55.htm
http://www.philippinen.cc/2010/10/kulturdifferenzen-5-die-familie/
Niklas Reese, Rainer Werning: Handbuch Philippinen - Gesellschaft, Wirtschaft, Politik, Kultur. Berlin, 2015


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