Ang Pamilyang Tunay Molahotay - über Familie und ihre Stellung -
- „Eine wahre
Familie übersteht alles“ - das diesjährige Motto des Pre-School Family Days.
An diesem Tag
versammeln sich alle Pre- School Kinder mit ihren Eltern auf dem
Basketballfeld, um gemeinsam den Tag zu verbringen. Sowohl die vier Klassen aus
Janssenville, als auch vier Klassen von der Dumpsite Omapat, haben sich seit
einer Woche mit Präsentationen für den Tag vorbereitet. So wechselten sich
verschiedene Spiele für Erwachsene und Kinder, mit Aufführungen hab. Es gibt
eine Zumba Stunde, einen live DJ und eine Tombola (bei der wir einen fünf Kilo
Sack Reis gewannen, der definitiv unseren acht-Monate-Reiskonsum übersteigt,
und wir ihn daher dem Feeding-Programm der Village spenden). Auch wir sind Teil
des Programms und nachdem wir am Vorabend erfolgreich unsere erste eigene
Kinderschminke aus Bodylotion, Maisstärke und Lebensmittelfarbe hergestellt
haben, ist unsere Aufgabe an diesem Tag die Kinder in Tiger, Prinzessinnen oder
Schmetterlinge zu verwandeln.
Lena beim Schminken der Kinder |
Zumba- Tanzstunde |
Für JPIC hat das Feiern eines Familientages in der
Pre-School eine wichtige Bedeutung. So lernen die Eltern das Pre-School Umfeld besser
kennen und der Anreiz und die Verpflichtung ihr Kind regelmäßig in die Schule
zu schicken wird verstärkt. Auch ist der Tag dazu da, dass sich die Eltern
untereinander besser kennen lernen und ebenfalls stärker zusammenwachsen. Er
dient somit zur Erhaltung der Motivation der Familien, um weiterhin regelmäßig
am Bildungs- Programm teilzunehmen.
Die allseits beliebte Tombola |
Die Wichtigkeit
der Einbindung der Familie wird uns im Alltag durch ihren hohen Stellenwert
deutlich. Einer der ersten Fragen, die wir gestellt bekommen sind: „Ist es in
Ordnung für eure Eltern, dass ihr so weit weg von zu Hause seid?“; „Haben eure
Eltern euch einfach gehen lassen?“: „Vermissen sie euch nicht?“ – „Wir sind
sehr eng verbunden mit unserer Familie, wir würden unsere Töchter alleine nicht
so weit fahren lassen“. Aus den Reaktionen der Leute hier in der Village wird
uns schnell bewusst, dass die Familienbande sehr eng sind und es ihnen
ungewöhnlich vorkommt, dass wir in unserem Alter alleine eine so weite Reise
wagen. Denn tatsächlich bleiben die meisten jungen Erwachsenen solange in ihrem Elternhaus, bis sie verheiratet
sind. Auch dann noch, wenn sie bereits ihr eigenes Gehalt beziehen. Noch
wunderlicher wird es für die meisten,
wenn wir sagen, dass unsere Eltern uns auch vermissen und uns mit Sicherheit
nicht gerne haben gehen lassen, es aber für sie auch genauso wichtig ist, dass
wir Unabhängigkeit erlangen und unseren eigenen Weg gehen. Wie passt das
zusammen?
In den
Philippinen ist die kollektive Identität noch verankerter als die individuelle.
Das heißt, dass der Individualität nicht so ein großer Stellenwert wie der
Gesamtheit der Gruppe zugeschrieben wird. So eine Gruppe ist z.B. die Familie.
Sie steht für die meisten Filipin@s an oberster Stelle und bildet den
persönlichen Bewegungsrahmen. Zudem ersetzt sie oftmals Freundschaften außerhalb
der Familie und ist Sozialsystem. Daher sollte innerhalb dieser bedingungslose
Loyalität und Solidarität herrschen.
Da nur 50% aller
Beschäftigten in gesetzlichen Krankenversicherungen versichert sind und diese
meistens selbst im Versicherungsfall nicht greifen, ist die Familie das
wichtigste Sozialamt. Sie dient darüber hinaus als Arbeitsamt, Alters- und
Arbeitslosenversicherung, zur Studienfinanzierung und als Kreditquelle. Sie
wird somit die flexibelste und sicherste Absicherung im Notfall. Diese
Solidarität erzeugt allerdings auch eine Verpflichtung. Wenn ein Teil der
Familie einen anderen Teil mitfinanziert, erhalten sie automatisch auch ein
Mitspracherecht in deren Familienangelegenheiten, wie z.B. Heiratswunsch oder
Berufswahl. Die Investition in die Bildung der Kinder z.B. ist die Absicherung der Eltern im Alter. Als Gegenleistung
wird oft erwartet, dass diese sich in der Schule anstrengen, mit um jüngere
Geschwister kümmern und nach Abschluss ihrer Ausbildung die Familie mitunterstützen.
Innerhalb der Familie wird praktisch ein
ungeschriebener Generationenvertrag eingegangen. Für die Familie wird oft alles
getan, auch wenn es manchmal mit den eigenen Wünsche und Vorstellungen nicht
vollständig vereinbar ist. So ist es zum Teil auch normal, seinen Job für die
Betreuung seines Enkelkindes aufzugeben, wie z.B. im Fall unserer Gastmutter.
Aber auch neben
der Funktion der Familie als Sozialamt, wird ihr eine große Bedeutung
zugeschrieben. Kinder gelten als Segen und eine Familie wird erst als komplett
angesehen, wenn die Partner Eltern geworden sind. Die Familie teilt mit dir
alle Sorgen und Freuden und ist immer für dich da (solange man nicht versucht
aus der Familienstruktur auszubrechen). Verwandtschaftsverhältnisse halten ein Leben
lang und sind daher wichtiger als
Freundschaften. Allerdings kommt es auch vor, dass sehr gute Freunde
ebenfalls zur Familie, der „extended family“ (erweiterte Familie) gezählt
werden, ebenso wie entfernt Verwandte, denen ebenfalls nach Möglichkeit ausgeholfen
wird.
Ang Pamilyang
Tunay Molahotay - „Eine wahre Familie übersteht alles“. Damit ist die Loyalität
und Solidarität innerhalb der Familie gemeint, die einen aus Krisensituationen
wieder herausführt. Doch oft führt dieser auch zum Verlust der Individualität
und Unabhängigkeit.
Für uns ist es
da oft schon einfacher diese zu erlangen, es ist sogar ein Ziel Unabhängigkeit
von der Familie zu sein und auf eigenen Beinen stehen zu können. Da wir aber
auch ein funktionierendes Sozialsystem in Deutschland besitzen, sind viele auch
nicht so stark auf die (finanzielle) Unterstützung unserer Familien angewiesen.
Bei Arbeitslosigkeit beziehen wir Arbeitslosengeld, im Krankheitsfall sind (die
meisten) Kosten durch unsere Krankenkasse gedeckt, unsere Kinder werden wir zur
Betreuung in den Kindergarten schicken und wessen Eltern nicht genug verdienen,
um ihr Kind bei der Ausbildung oder beim Studium zu unterstützen, erhält BAföG.
Die finanzielle Unabhängigkeit, die wir dadurch erhalten, ermöglicht es uns
eigenständig über unsere Zukunft ohne Rücksicht auf die Wünsche unserer Eltern
entscheiden zu können. Wir wollen uns diese Unabhängigkeit bewahren und sind
sogar glücklich darüber mehr BAföG beziehen zu können als das Jahr zuvor, wenn
wir dadurch noch selbstständiger werden können. Geld leihen wir uns von der
Bank und eher in seltenen Fällen von unseren Familien. Wir freuen uns über das
Ausziehen von zu Hause und auf die Freiheit, die wir teilweise fernab unserer
Familien erlangen. Individualität und Familie vereinen wir im kleinen Kreis.
Unsere Entscheidungen und Lebensvorstellung teilen und besprechen wir zunächst
nur mit unserer engsten Familie (Mutter, Vater, Geschwister, nahestehende
Familienmitglieder), der Rest der Familie wird lediglich informiert. Das wir
auf den Rückhalt unserer Eltern zählen können ist für uns beide klar, doch
würden wir uns auch nur auf diesen verlassen und nicht die ganze Familie
miteinbeziehen. Durch die Möglichkeiten, die wir in unserem System erhalten,
sind wir nicht mehr auf die Hilfe von Familienmitgliedern angewiesen und sie
verliert daher als soziale Absicherung ihre Bedeutung. Unser Bewegungsrahmen
erweitert sich dadurch und Freundschaften spielen eine ähnliche Rolle wie die
Familie, die hauptsächlich für uns ein Teil unserer sozialen Beziehungen
darstellt.
Die
verschiedenen Familienstrukturen beider Länder beeinflussen das alltägliche
Leben und bilden die Norm über die eigenen Lebensvorstellungen. Welche für
einen passender ist, und ob Freiheit, Unabhängigkeit und Individualität mehr
wiegt als bedingungslose Loyalität muss dabei jeder für sich selbst
entscheiden.
Anmerkung: Die
Darstellung der Familienstrukturen (in Deutschland) beruht auf unserer eigenen
Wahrnehmung und unserem Umfeld. Selbstverständlich gibt es auch hier Ausnahmen
und unterschiedliche Ansichten.
English Version:
Ang Pamilyang Tunay Molahotay - „A
true family survives everything“- the theme of this year pre-school family day.
At this day all pre-school children gather
with their parents at the basketball court to spend the day together. The four
classes from Janssenville, as well as the four classes from the Dumpsite Omapat
prepared their dance presentations almost one week in advance. Various games for
adults and children differ with the presentations. There is also a Zumba
lesson, a live DJ and a raffle (where we won a-five-kilo-sack of rice, which is
definitely more than our rice consummation within eight month, so we donated it
to the Feeding- Program of the Village). We are also part of the program and
create our first own face-paint made out of body lotion, corn starch and food
coloring. Our task is then to transform the children into tigers, princesses
and butterflies.
The celebration of a family day has
a great importance for JPIC. The parents get to know the pre-school environment
and get an incentive as well as the commitment to send their child to school
regularly. They also get the chance to get to know each other and built a
network where they can support each other. Therefore the family day serves the
motivation of the families to continue participating in the education program.
The importance of the integration of
the families lies in their composition, which we experience in our daily live. One of the first questions
being asked are: “Is it okay for your parents that you are so far away from
home?”; “Did your parents not try to convince you to stay?”- “We are strongly
connected to our families; we would never let our daughters go so far away”.
Hearing the reactions in the Village we realize that the family bounds here are
very close and it seems very unusual for them to travel so far away from home
in our age. Indeed most of the young adults stay at their parents’ house until
they get married, even though they already earn their own money. They start to
wonder even more when we say that of course our family misses us and that of
course they did not let us go easily but they also want us to go our own way
and gain independence. How does that fit together?
In the Philippines the collective
identity is often more important than the individual. That means that
individuality has not such a great importance as the unity of the group. A
group like this is e.g. the family. For most of the Filipin@s the family comes
first and builds the social frame in which they move and act. It often replaces
friendships outside the family and the social system. That is why
unconditionally loyalty and solidarity are expected.
Due to the fact that only 50% of all
employees have a health insurance and even if they have one not everything is
covered, the family becomes the most important social welfare office. Furthermore
the family serves as job center, pension and unemployment insurance, to finance
the studies and as credit lender. It is indeed the most flexible and safest
substantiation in emergency. But this solidarity also creates a commitment. If
one part of the family finances the other part of the family, they
automatically have a right to give their opinion in family affairs e.g.
marriage or job decisions. The investment in the education of the children is
e.g. the substantiation of the parents in age. In reverse it is expected that
they show effort at school, take care of their younger siblings and that they
support their family after graduation. It works like an unwritten generation
contract. Even if it is against your will or aspirations you do everything for
your family. That is why it is sometimes normal to give up your job to take
care of your grandchildren, like our host mother did.
Next to the necessity of the family
as the social welfare care, they also have an great importance to society.
Children are seen as a gift and a family is only seen as complete when they
have children. The family shares all the joy and problems and takes care of you (as long as you are not trying to
break out from their structure). Relatives last for a lifetime and are
therefore more important than friendships. But it also appears that close
friends are counted to the “extended family” as well as distant family who can
also be sure to be helped out in emergency.
Ang Pamilyang Tunay Molahotay – “A true
family survives everything”. This refers to the loyalty and solidarity between
family members which helps them out of crises. But it also leads to loss of
individuality and independence.
For us it is easier to gain
independence from your family and it is actually an aim to stand on your own
two feet. But we also have a functioning social system in Germany and are not
depending strongly on the (financial) support of our families. If we get
unemployed we receive unemployment payments from the government, if we get sick
our health insurance covers (most of) the costs, we can send our children to
day care and if our parents do not earn enough money we can receive BAföG
(governmental study credit) for our studies. This financial independence allows
us to decide about our future on our own without needing to take into account
the whishes and aspirations of our parents for us. We want to keep this
Independence and we are happy about getting more BAföG than the year before because
it means that we gain more independency from our parents. We lend money from
the bank and only in rare situations from our families. We are eager to move
out from home and are excited about the freedom we gain sometimes miles away
from our parents. Individuality and family are combined in a small circle. We
discuss our decisions and our expectations for live only with our closest
family (mother, father, siblings, other close family members); all the other members
are just informed. We know that we can always count on the help and support of
our family, but we would only rely on our close family not the distant one. Through
the substantiation of our social system, the family loses the importance as our
social welfare office. Due to that our social frame is extended and friendships
play a similar role as the family which is for us not much more than a social
relation though it is a closer one.
The different family structures of
both countries influence the daily live and create the norm about the own
expectations about live. Everyone has to decide for themselves which one fits
more for them and if freedom, independency and individuality are more important
than unconditionally loyalty and solidarity.
Notice: The picturing of the family structures
relies on our own experience and on our environment. We are aware of the fact that
there are exceptions and different views concerning this topic.
Quellen/Ressources:
https://de.wikipedia.org/wiki/Kultur_der_Philippinen
Quellen/Ressources:
https://de.wikipedia.org/wiki/Kultur_der_Philippinen
http://www.naval-diving.com/deutsch/land/1-55.htm
http://www.philippinen.cc/2010/10/kulturdifferenzen-5-die-familie/
Niklas Reese, Rainer Werning: Handbuch Philippinen - Gesellschaft, Wirtschaft, Politik, Kultur. Berlin, 2015
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